Von der Pflicht, Verantwortung zu übernehmen
Als „Prachtexemplar der Bürgergesellschaft“ hat der baden-württembergische Wirtschaftsminister Ernst Pfister den Unternehmer Horst Siedle bezeichnet. Er beschrieb damit den engagierten Lokalpolitiker, den Mäzen, den Sponsor und den ebenso großen wie großzügigen Kunstliebhaber. Horst Siedle selbst hat seine Haltung in einem Interview so ausgedrückt: „Wenn man es kann, dann hat man die verdammte Pflicht, Verantwortung zu übernehmen.“
Für sein Unternehmen war Horst Siedle vor allem Kopf, Herz und Motor vieler wegweisender Entwicklungen. Rund vier Jahrzehnte hat er Siedle als Inhaber und Geschäftsführer geprägt und zu großem Erfolg geführt.
„Ich bin Weltbürger, Europäer, Deutscher und Badener – aber im Herzen bin ich Furtwanger.“ So hat er auf die Frage geantwortet, wo er sich zu Hause fühlt. Dabei war Horst Siedle zwar Spross einer alteingesessenen Schwarzwälder Familie, aber ein waschechter Berliner von Geburt. Sein Vater vertrieb die Produkte des heimischen Unternehmens in der Hauptstadt, dort kam sein Sohn Horst 1938 zur Welt.
Mit sechs Jahren wurde er zum Furtwanger. Seine Familie bezog jenes Haus in der Heimatstadt, das er fast sechzig Jahre später aufwändig sanieren und in den damaligen Zustand zurückversetzen ließ. Abriss und Neubau wären billiger gewesen. Doch wie so häufig fällte Horst Siedle seine Entscheidung nicht aus nüchternem Kalkül allein.
Im Herzen Furtwanger
Horst Siedle begriff Standorttreue als Teil einer Verantwortung, die ein Unternehmen zu tragen hat. Ob ein Unternehmer gut wirtschaftet, war für den überzeugten Mittelständler nicht nur eine Frage der Bilanzen, obwohl er keinen Zweifel daran ließ, dass ein Unternehmen zuallererst profitabel arbeiten muss. Aber Gewinn darf nicht zum Selbstzweck werden, sondern soll Zielen dienen: den Menschen und der Welt, in der sie leben.
Großes Erbe und stolze Bilanz
Vor mehr als 270 Jahren wurde „Mathäus Siedle, Glockengießer“, urkundlich erwähnt – Horst Siedles Ur-Ur-Ur-Ur-Ur-Großvater. Über die Jahrhunderte und alle Wandlungen hinweg blieb das Unternehmen im Besitz und unter der Leitung der Familie.
Horst Siedle trat ein weit zurückreichendes Erbe an – aber in den Schoß wurde es ihm nicht gelegt, als er 1957 ins Unternehmen eintrat. Von den Mitarbeitern, denen er später als Geschäftsführer vorstehen sollte, hat er das Löten, die Herstellung von Kabelbäumen, die Montage von Netzgleichrichtern oder Telefonen und vieles mehr gelernt. Höhere Weihen erwarb er sich bei der Schweizer Tochter Siedle Electric, die er vom Ein-Mann-Betrieb zum florierenden Unternehmen aufbaute. Geschäftsführer der Stammfirma wurde er schließlich 1970. Unter seiner Leitung entstand aus einem soliden Unternehmen eine stark wachsende Firma mit Weltruf.
Für sein unternehmerisches und gesellschaftliches Wirken erhielt Horst Siedle viele Auszeichnungen, so 1999 das Bundesverdienstkreuz, 2008 die Wirtschaftsmedaille des Landes Baden-Württemberg und 2009 die Ehrenbürgerwürde der Stadt Furtwangen.